Offener Brief der Bürgerinitiative Emmerbach
Münster-Hiltrup, 22. März 2021
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Lewe, sehr geehrte Damen und Herren,
im Juli 2020 hat ein ortsansässiger Landwirt einen Antrag an das Bauordnungsamt der Stadt Münster gestellt, auf der Liegenschaft „Am Waldfriedhof 181“ in Münster-Hiltrup (ehemalige Hofstelle Watermann) die Errichtung eines Schweinemaststalls für knapp 1.500 Schweine zu genehmigen. Dieses Vorhaben wurde Anfang Februar 2021 durch eine Presseberichterstattung öffentlich bekannt.
Der geplante Standort befindet sich im Landschaftsschutzgebiet zwischen Emmerbach und Hoher Ward, unmittelbar an einem beliebten Rundweg über die beiden Brücken des Emmerbachs. Der beantragte Mastbetrieb liegt damit in einem Naherholungsgebiet, das von vielen Menschen aus Hiltrup und der weiteren Umgebung aufgesucht wird. Zudem liegt das Vorhaben weniger als 500 m von der Wohnbebauung „Emmerbachtal“ entfernt.
Die Zufahrt über die schmale Straße „Am Waldfriedhof“ führt zunächst durch die drei Teile des Friedhofs „Hohe Ward“ und im Weiteren durch ein Waldstück. Diese Straße ist in ihrer gegenwärtigen Auslegung für die zu erwartende Verkehrsbelastung durch Lkw ungeeignet. Es ist mit einer starken Beeinträchtigung von Spaziergängern, Joggern und Fahrradfahrern zu rechnen. Vorgeschriebene Sicherheitsabstände beim Passieren können nicht eingehalten werden. Außerdem vertragen sich der mit dem Transport von Baumaterialien, Futtermitteln, Gülle, Schweinemist und Schweinen verbundene Lärm und die Abgase nicht mit dem Friedhof als einem Ort der Stille und der Trauer.
Dazu kommen zahlreiche Bedenken des Landschafts-, Natur-, Gewässer-, Boden-, Gesundheits- und Tierschutzes:
- Gefährdung in unmittelbarer Nähe liegender empfindlicher Biotope mit geschützen Tier- und Pflanzenarten (u. a. einer Schutzzone für Waldohreulen)
- Gefährdung des in unmittelbarer Nähe gelegenen wichtigen Wasserschutzgebietes
- Regelmäßige Geruchsbelastungen sowie gesundheitliche Risiken für Anwohner und Spaziergänger durch Emission von möglichen Krankheitserregern (Stallkeimen), Ammoniak und Feinstäuben, die sich auch auf den Böden der Umgebung ablagern
- Nicht artgerechte Massentierhaltung, bei der pro Schwein nur 0,9 qm Fäche zur Verfügung steht, ohne frische Außenluft und Auslauf
- Verschärfung des seit Jahrzehnten bestehenden „Güllenotstands“ und der Verschmutzung des Grundwassers durch Nitrateinträge
- Unvereinbarkeit mit den vom Rat beschlossenen Klimaschutzzielen der Stadt Münster, bis zum Jahr 2030 klimaneutral zu werden, durch einen erheblichen Anfall von CO2
(ca. 3,25 kg CO2 pro kg Schweinefleisch, nach überschlägigen Berechnungen über 900 t CO2 bzw. CO2-Äquivalente pro Jahr).
Mit einer Schautafel „Fakten zum geplanten Tierwohlstall“ versucht der Antragsteller neuerdings bei Spaziergängern des Rundwegs den Eindruck zu erwecken, gerade das Tierwohl spiele bei dem geplanten Schweinestall eine Rolle. Ähnliches wurde bereits von Vertretern der Landwirte in der örtlichen Presse behauptet. Darin sehen wir den bewussten Versuch, die Öffentlichkeit über den Charakter des geplanten Stalls zu täuschen. Nach den uns vorliegenden Informationen wurde ein Maststall beantragt, der bestenfalls der Haltungsstufe 2 entspricht, also knapp über den gesetzlichen Mindestanforderungen. Ein solcher Stall ist nicht tierwohlgerecht. Ginge es dem Antragsteller wirklich um das Wohl der Tiere, hätte er einen Stall einer höheren Haltungsstufe beantragen können.
Dementsprechend ist keine regionale Vermarktung, sondern ein überregionaler Verkauf an die großen Fleischkonzerne zu erwarten. Auch andere Aussagen auf der Schautafel müssen stark bezweifelt werden, wie z. B. dass im Jahr nur mit 10 Stunden Geruchsbelästigung im anliegenden Wohngebiet zu rechnen sei. Angeblich vorliegende Immissions- und Umweltberichte können nicht auf Stichhaltigkeit überprüft werden.
Eine von der Hiltruper SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen am 28. Februar 2021 gestartete Online-Petition „Intakte Naturlandschaft erhalten und Wasserschutzgebiet erhalten – Keine Schweinemast an der Hohen Ward!“ haben bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits knapp 6.000 Personen unterzeichnet. Das zeigt die breite Ablehnung eines derartigen Vorhabens.
Das Unverständnis und der Widerstand gegen den beantragten Schweinemaststall beschränken sich jedoch keineswegs auf die Anhänger/innen bestimmter Parteien. Es verbindet parteiübergreifend alle Menschen, insbesondere im Wohnquartier Hiltrup-Ost, für die ein wichtiges Stück Lebensqualität verloren zu gehen droht.
Deshalb haben wir unabhängig von Parteizugehörigkeit und politischem Standpunkt am 6. März 2021 die „Unabhängige Bürgerinitiative gegen Schweinemast im Landschaftsschutzgebiet zwischen Emmerbach und Hoher Ward“ (Kurzform: Bürgerinitiative Emmerbach) gegründet, um uns gemeinsam mit allen rechtlich zulässigen Mitteln zur Wehr zu setzen.
Es geht uns darum, ein Stück intakter Natur unserer unmittelbaren Heimat vor Beschädigung, Verschmutzung, schädlichen Emissionen, Umweltschäden und -risiken zu schützen. Außerdem möchten wir den Waldfriedhof Hohe Ward als Ort der Stille und der Trauer erhalten.
Wir richten unsere Missbilligung ausdrücklich nicht gegen die Landwirtschaft und Landwirte. Sie haben eine große Verantwortung für die Versorgung mit gesunden Lebensmitteln, müssen aber auch ihrer Verantwortung für die Landschaftspflege und die Erhaltung unserer Umwelt gerecht werden.
Massenschweinezucht zur industriellen Fleischproduktion gehört nicht in ein Landschaftsschutzgebiet! Sie erfüllt nicht den Priviligiertenstatus des § 35 BauGB!
Im Grundgesetz (Artikel 14 Abs. 2) heißt es: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Wir appellieren deshalb an den Antragsteller, sein Vorhaben zu überdenken und den Antrag zurückzuziehen.
Die Verantwortlichen in den mit dem Vorhaben befassten Ämtern und Gremien der Stadt Münster bitten wir, der Errichtung des beantragten Schweinemaststalls nicht zuzustimmen.
Für die Bürgerinitiative Emmerbach
Torsten Ehmcke
Benedikt Geise
Johannes Krause-Isermann
Wilfried Limke
Manfred Manning
Klaus Neidhardt
Paul Thelosen
Ulrich Wolf
Postfach 48 01 11 48078 Münster