Antrag auf Errichtung eines Schweinemaststalls an der Hohen Ward (Hiltrup-Ost)

Sehr geehrte Damen und Herren des Beirats nach dem Landesnaturschutzgesetz,

wir hatten Ihnen bereits im März vor dem verschobenen Termin Ihrer konstituierenden Sitzung unseren Offenen Brief mit unseren Argumenten gegen den beantragten Schweinemaststall in unserem Naherholungsgebiet zwischen Emmerbach und Hoher Ward zugesandt (E-Mail vom 22.03.2021).

Seitdem hat sich die Bürgerinititative Emmerbach, der mittlerweile 300 Mitglieder angehören, weiter intensiv mit allen Aspekten des Bauantrags und der Folgen bei Realisierung beschäftigt. Wir haben außerdem mit den offiziellen Vertretern bzw. Vertreterinnen der Landwirtschaft vor Ort und einer ökologisch orientierten Landwirtschaft diskutiert, mit dem Antragsteller und seinem Sohn selbst sowie mit verschiedenen in der Bezirksvertretung Hiltrup bzw. im Stadtrat von Münster vertretenen Parteien. Schließlich hatten wir sogar Gelegenheit, uns in einem Zoom-Meeting mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze auszutauschen. Sie hat mit Blick auf das Bauvorhaben an der Hohen Ward folgendes Zitat für eine Pressemitteilung freigegeben:

Ich teile persönlich die Bedenken der Bürgerinitiative Emmerbach und finde es richtig, dass sie sich mit ihren kritischen und bestens informierten Nachfragen zu Wort meldet. Das beantragte Betriebsmodell für die Schweinemastanlage in Hiltrup-Ost berücksichtigt nicht die Ergebnisse der Borchert-Kommission zur Zukunft der Landwirtschaft – das sollte der Maßstab für neue Anlagen sein. Ich setze mich für eine nachhaltige Landwirtschaft ein, in der Tierwohl und Klimaschutz ganz oben auf der Agenda stehen.

Zusammenfassend müssen wir leider feststellen, dass wir uns auch nach der weiteren differenzierten Beschäftigung mit dem Thema und den vielen Gesprächen in unserer ablehnenden Haltung bestätigt sehen.

Grundsätzlich haben wir zunächst einmal erhebliche Zweifel daran, dass der Priviligiertenstatus des Bauantrags nach 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB überhaupt zu Recht in Anspruch genommen wird. Aus unserer Sicht wäre der Antrag richtig nach § 35 Abs. 1. Nr. 4 (mit Umweltverträglichkeitsprüfung) zu stellen und damit kein laufendes Geschäft und alleinige Entscheidung der Verwaltung. Dieser Zweifel wird nicht zuletzt durch die vom Antragsteller selbst angegebene, zukünftig geplante Eigentumsregelung genährt, wonach der ältere der beiden Söhne die landwirtschaftlich bewirtschafteten Ackerflächen und der jüngere ausschließlich den Schweinmastbetrieb erhalten soll. An dessen Hofstelle wäre der Maststall also keineswegs von nur untergeordneter Bedeutung. Der gestellte Bauantrag benötigt deshalb aus unserer Sicht eine politische Gremienbeteiligung mit einem entsprechenden Abwägungsprozess.

Inhaltlich sprechen insbesondere die nachfolgenden Gründe gegen eine Genehmigung des Bauantrags:

1. Wasserschutz / Havariefall

Die Flächen um den ehem. Hof Watermann (Am Waldfriedhof 181) sind im online verfügbaren Umweltkataster der Stadt Münster als “verschmutzungsempfindlich für das Grundwasser“ gekennzeichnet. Darüber hinaus machen die Bodenbeschaffenheit und die topographische Lage des Standorts der geplanten Schweinemastanlage bei einer nicht auszuschließenden Havarie des Lagerbehälters möglich, dass die Gülle oberflächlich in Richtung Emmerbach abfließt. Die Lager- bzw. Havariekapazität ist dabei von zu erwartenden 1.500 bis möglichen 2.200 m3 angegeben. Der geplante Schweinemastbetrieb hat an der ungünstigsten Stelle zur Emmerbachaue nur eine Entfernung von ca. 300 m. Seit Ende der 1980er Jahre wird durch umfassende Renaturierungsmaßnahmen am Bach und in seiner begleitenden Aue auf die Verbesserung der Strukturgüte des Gewässers hingewirkt und die artenreiche Pflanzen- und Tierwelt wiederhergestellt.

Selbst wenn in einem nicht auszuschließenden Havariefall die Gülle nicht die Emmerbachaue erreicht, würde sie sich standortnah breitflächig über mehrere 1.000m2 Ackerland ergießen und damit die gem. Umweltkataster der Stadt Münster “für das Grundwasser verschmutzungsempfindlich“ eingestuften Böden kontaminieren.

2. Geruchsimmissionen

Mit der nach einem der Stadt Münster wohl vorliegendem Gutachten angegebenen Geruchsimmissionskapazität von 11% der Jahresstunden liegt gem. GIRL (Geruchsimmissionsrichtlinie NRW) für das angrenzende Wohngebiet eine erhebliche Geruchsbelastung vor. Diese ist nicht zwangsläufig hinzunehmen. Einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover [VerwG Hannover, 31.10.2012, 4 B 5501/12] folgend, ist die Überschreitung des Grenzwertes lediglich bei einer gleichzeitigen Verbesserung von Bestandsanlagen hinnehmbar. In diesem Fall handelt es sich aber um die Errichtung (Neubau) einer Tierhaltungsanlage mit überhöhten Grenzwerten. Der nur bei Bestandsanlagen ggf. anzurechnende Toleranzbereich bis 15 % findet hier keine Anwendung.

3. Stallkeime / Bioaerosole

Ein bekanntes Problem der Massentierhaltung, vor allem in schweinehaltenden Betrieben, ist der umfängliche Einsatz von Antibiotika zur Behandlung von Infektionen, häufig sogar präventiv. Dadurch kommt es zur Bildung diverser multiresistenter Keime (Stallkeime), die bei Menschen und anderen Organismen Krankheiten auslösen können, welche nur noch schwer mit Antibiotika behandelt werden können. Sie sind bei der ganz überwiegenden Zahl der Schweinemastbetriebe nachzuweisen und werden sowohl über die Abluft in Form von Aerosolen in der näheren Umgebung der Ställe verbreitet als auch, zusammen mit Antibiotikarückständen, über die ausgebrachte Gülle. Am stärksten sind die Stallhalter selbst gefährdet, aber auch Anwohner, Spaziergänger oder Radfahrer können sich aus der Umgebungsluft von Ställen Resistenzen einfangen. Nicht nur befindet sich der Standort des beantragtes Schweinemastbetriebs in weniger als 500 m Entfernung vom Wohngebiet Emmerbachtal, sondern – noch gravierender – führt der von Fußgängern, Joggern und Fahrradfahrern stark frequentierte Rundweg über die beiden Emmerbachbrücken auch in unmittelbarer Nähe vorbei.

4. Landschaftsschutz / Erholungswert

Die Errichtung einer neuen Stallanlage mit über 52 m Seitenlänge, mehreren 10 m hohen Abluftschornsteinen und eines Gülle-Hochsilos in der topographischen Höhenlage der Hofstelle in Bezug auf das angrenzende Wohngebiet (“Emmerbachtal“) stellt eine Beeinträchtigung der natürlichen Eigenart der Landschaft, ihres Erholungswerts und des Landschaftsbildes (hier: Landschaftsschutzgebiet) dar. Die Lage der geplanten Stallanlage trägt nach geltender Rechtsprechung zur Verunstaltung des Landschaftsbildes i. S. des § 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB bei (hier: Blickfang auf einer topographischen Höhe). Eine irgendwie geartete Eingrünung, auch mit Hochgewächsen, ändert diesen Umstand grundsätzlich nicht, weil sie selbst einen Wirkungseingriff in die gewachsene Umgebung des Landschaftsschutzgebietes darstellt.

Der Landschaftsschutz bedeutet selbstverständlich nicht die Zementierung des Status Quo und ist auch offen für Veränderungen. Diese dürfen aber laut “LNatSchG NRW“ nicht im Widerspruch zum Schutzzweck stehen. Der Erhalt und die Entwicklung von landschaftsgerechten Strukturen dürfen niemals nur Kulisse für die Nutzung des Kulturraumes sein, sondern stellen eine zu priorisierende Forderung dar. Die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes wäre durch die Größe des beantragten Maststalls gravierend (vgl. anliegende Fotos des aktuellen Landschaftsbildes und der Veränderung auf Basis des eingereichten Bauantrags; Seitenansicht des Schweinemaststalls lt. Bauplan). Falls daran Zeifel bestehen sollten, wird eine Ortsbesichtigung empfohlen.

5. Artenschutz

Die Handlungsempfehlung “Artenschutz in der Bauleitplanung und bei der baurechtlichen Zulassung von Vorhaben“ des Landes NRW fordert die verhältnismäßige Anwendung einer Artenschutzprüfung. In diesem Fall sind eine umfassende Bestandsaufnahme und Prüfung von Flora und Fauna dieses einzigartigen und sensitiven Landschaftraumes notwendig. Es gibt hinreichend Hinweise auf hier befindliche schutzwürdige Artenvorkommen wie u.a. Kiebitz, Feldlerche und Waldrohreule als auch ungezählte Pflanzengattungen.

6. Klimaschutz

Der Rat der Stadt Münster hat am 22. Mai 2019, nicht zuletzt unter dem Druck der Fridays-For- Future-Bewegung, den Klimanotstand ausgerufen. Im Dezember 2019 wurde beschlossen, die Klimaneutralität Münsters nun schon bis zum Jahr 2030 (!) zu erreichen. Oberbürgermeister Markus Lewe erklärte „Ich habe den Anspruch, dass Münster die erste klimaneutrale Stadt in Deutschland wird.“ (WN, 29.9.2020). Die Verwaltung muss einen konkreten und verbindlichen Maßnahmenkatalog erstellen und ein Monitoringverfahren installieren, um bei Nichterreichen von Zielen Gegenmaßnahmen einzuleiten. In allen Beschlussvorlagen für Ratsentscheidungen müssen die Auswirkungen auf das Erreichen des Zieles der Klimaneutralität deutlich gemacht werden.

In der Antwort auf eine Frage der SPD-Fraktion in der Bezirksverwaltung Hiltrup zu den CO2- Emissionen des geplanten Schweinemaststalls schätzt die Stadtverwaltung, dass pro Jahr etwa 678 Tonnen CO2 bzw. CO2äq anfallen, einschließlich Vorproduktion (Ferkelproduktion) ca. 908 Tonnen. Das entspräche etwa dem Jahresstromverbrauch von 649 Durchschnittshaushalten und ist angesichts der überaus ambitionierten Klimaziele von Münster erheblich. Sollte der Bauantrag gegen alle Bedenken genehmigt werden, ist vom Antragsteller zwingend eine Eingriffs- Ausgleichsregelung zu fordern. Es muss vom Antragsteller der Nachweis erbracht werden, wie die jährlich aus dem Schweinemastbetrieb resultierenden, zusätzlichen mehrere hundert Tonnen CO2- Emissionen kompensiert werden.

7. Flächenversiegelung

Nach Aussage des Antragstellers hat er ursprünglich einen anderen Standort für den Bau eines Schweinemaststalls beantragt: an seiner Hofstelle am Albersloher Weg. Soweit uns bekannt, hat die Stadt ihm nahegelegt, mit Rücksicht auf ein in dortiger Nähe geplantes Wohngebiet einen entsprechenden Antrag am Standort der Hofstelle Watermann zu beantragen.

Im Umfeld des Wohngebiets Emmerbachtal/Hiltrup-Ost werden also nicht nur durch die von der Stadt in Planung genommenen neuen Baugebiete zukünftig große Flächen versiegelt. Darüber hinaus würden der Bevölkerung des bereits vorhandenen Wohngebiets und der Allgemeinheit durch den beantragten industriellen Schweinemaststall auch noch eine weitere Flächenversiegelung im Landschaftschutz- und Naherholungsgebiet und die sonstigen negativen Folgen zugemutet.

Schließlich sind zudem Zweifel nicht ganz von der Hand zu weisen, ob die Genehmigungsbehörde unter diesen Umständen bei ihrer Entscheidungsfindung nicht gehalten ist, ein wohlwollendes Ermessen zugunsten des Antragstellers auszuüben.

Fazit

Die Bewertung des bei dem Bauvorhaben vorgesehenen, niedrigen Tierwohlstandards (Haltungsstufe 2 nach der Klassifikation der Handelsketten) fällt sicher nicht in die Zuständigkeit des Naturschutzbeirats. Angesichts der aufgeführten gravierenden Argumente gegen den Antrag erscheint es jedoch besonders unverständlich, in der heutigen Zeit, wo die Umstellung der gegebenen Nutztierhaltung entsprechend den Empfehlungen der Borchert-Kommission auf höhere Tierwohl- und Umweltstandards beschlossen ist, noch einen derartigen neuen Stall zu genehmigen. Bei allem Verständnis für das wirtschaftliche Interesse des Antragstellers überwiegt nach unserer Auffassung in diesem konkreten Fall das entgegenstehende Gemeinwohl. Nur der Vollständigheit halber sei noch erwähnt, dass auch die Erschließung über den Privatweg einer Anliegerfamilie nicht gesichert ist.

Mit freundlichen Grüßen
Klaus Neidhardt im Namen der Bürgerinitiative Emmerbach