Leserbrief zum Interview mit Susanne Schulze Bockeloh : „Biodiversität kann man nicht verkaufen“ in WN vom 26. Juli 2021

Die Verbandsvorsitzende des landwirtschaftlichen Kreisverbandes Susanne Schulze Bockeloh entwirft in ihrem Interview das Bild einer zukunftsweisenden Landwirtschaft und fordert ihre Klientel auf, eine „bäuerliche Eigenmarke zu setzen und die Vermarktung regionaler Produkte zu forcieren“. Schon immer habe sich die Landwirtschaft notwendigen Veränderungen angepasst. Sie trete für mehr Tierwohl und innovative Stallformen ein. Wichtig seien ihr Umweltschutz und ein Dialog mit der Bevölkerung. Sie sorge für eine „wunderschöne Kulturlandschaft, welche einen großen Teil der Attraktiviät unserer Stadt ausmacht“.

Was man fordert, sollte man auch tun. In ihrer politischen Praxis verteidigt Frau Schulze Bockeloh jedoch landwirtschaftliche Vorhaben, die ihren Versprechungen entgegenstehen, wie die Errichtung einer Schweinemastanlage mit 1494 Schweinen in der Haltungsstufe zwei im Landschafts- schutzgebiet zwischen dem Emmerbach und der Hohen Ward in Hiltrup-Ost. In dem beantragten Stall stehen die Schweine weiterhin auf Spaltböden in einer geschlossenen Stallanlage, jedes Schwein hat 0,93 Quadratmeter Platz. Tierwohl sieht anders aus. Auch die von Frau Schulze Bockeloh propagierte regionale Vermarktung ist nicht geplant. Der Dialog mit der Bevölkerung wurde bewusst umgangen. Nicht ohne Grund wurde der Stall für 1494 Schweine beantragt, eine öffentliche Prüfung auf Umweltverträglichkeit wäre ab 1500 Tieren erforderlich gewesen.

Als das Bauvorhaben durch einen Presseartikel im Februar 2021 zufällig ans Licht der Öffentlichkeit kam, unterzeichneten mehr als 6500 Menschen die Petition der Hiltruper SPD und der Grünen. Die Bürgerinitiative Emmerbach wuchs auf inzwischen 304 Mitglieder. Frau Schulze Bockeloh bezichtigte die Kritiker der Vorhabens, „mit viel Getöse Druck aufzubauen“, um die Verwaltung zu verunsichern. Zudem warf sie ihnen mehrfach mangelnde Dialogbereitschaft, diffamierende Hetze und Angriffe auf das Eigentum des Antragsteller vor.
Würde Frau Schulze Bockeloh ihre Aussagen zu einer zukunftsorientierten Landwirtschaft zum Maßstab ihres praktisch-politischen Handelns machen, dürfte sie und ihre Landwirtschaftskammer einen Antrag für einen neuen Mastbetrieb, dessen Fleisch der Haltungsstufe zwei selbst große Discounter künftig nicht mehr anbieten, nicht mehr unterstützen. Durch ihre kompromisslose Verteidigung eines unzeitgemäßen Projektes mutieren ihre Aussagen zu Worthülsen. Wie sagte schon ihr Parteifreund Konrad Adenauer: „Wer den Mund spitzt, muss auch danach pfeifen“.