Stellungnahme zur rechtswidrig erteilten Baugenehmigung der Stadt Münster für einen Schweinemaststall in Hiltrup-Ost – 01.11.2021

Der Medienservice der Stadt Münster hat dem WDR-Journalisten Markus Holtrichter am 28.10.2021 auf entsprechende Anfrage folgendes Statement übermittelt:

„Für den Bauantrag zur Errichtung des Schweinemaststalls in Hiltrup aus 2020 bestand ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung. Mit Vorliegen der erforderlichen Befreiung von den Verbotsbestimmungen der Landschaftsschutzverordnung war das bis dahin noch bestehende Genehmigungshindernis ausgeräumt, so dass die Genehmigung als gebundene Entscheidung zu erteilen war.“

Orientiert an den nachfolgenden Leitfragen haben wir dazu in der Koordninierungsgruppe der Bürgerinitiaive Emmerbach eine Stellungnahme abgestimmt, die wir durch einen Experten (Professor em. der WWU mit Schwerpunkt Kommunalrecht) haben gegenlesen lassen. Insofern sind die rechtlichen Aussagen unserer Stellungnahme abgesichert.

  • Musste die Baugenehmigung erteilt werden?
  • Musste die Baugenehmigung zu diesem Zeitpunkt erteilt werden? Durfte die Baugenehmigung zu diesem Zeitpunkt erteilt werden? Wie ist das Verhalten der Verwaltung/des OB zu bewerten?
  • Wie das Verhalten der im Stadtrat vertretenen Parteien?
  • Was sind die Handlungsoptionen der BI?
  • Was wird sie jetzt tun?

Unsere Stellungnahme:

Der Bau eines Schweinemaststalls in der beantragten Form im Landschaftsschutzgebiet zwischen Emmerbach und Hoher Ward ist hochstrittig. Die dagegen sprechenden Gründe sind bekannt. Deshalb hat sich die Bürgerinitiative gegründet.

In jüngster Zeit wurde auch noch festgestellt, dass in diesem Gebiet der Grundwasserspiegel abgesunken ist, was bereits zu Problemen führt, die durch den zusätzlichen Wasserverbrauch einer derartigen Schweinemastanlage (ca. 5,5 Liter pro Mastschwein/ pro Tag, insgesamt täglich über 8.000 Liter) noch verschärft würden.

Ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung durch das Bauordnungsamt vorliegen, kann von außen bisher nicht beurteilt werden. Eine Herausgabe der für eine unabhängige Beurteilung erforderlichen Unterlagen (Gutachten etc.) wurde selbst Verfahrensbeteiligten vom Bauordnungsamt Münster bisher verweigert. Sie wurden stattdessen auf die Möglichkeit einer Klage nach Entscheidung verwiesen. Erst dann könnten die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung gestellt bzw. zur Einsicht vorgelegt werden.

Zweifel daran, dass die Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind, wie vom Bauordnungsamt behauptet, bestehen aus mehreren Gründen:

Zum einen ist bekannt, dass der Landwirt, der den Schweinemaststall beantragt hat, ursprünglich in der Nähe seines Hofes am Albersloher Weg bauen wollte, dies aber von der Stadt abgelehnt wurde. Begründung: die Nähe zu dem inzwischen beschlossenen neuen Wohngebiet auf der anderen Seite des Albersloher Weges (Richtung Wolbeck). Er wurde deshalb von der Stadt aufgefordert, sein Stallprojekt stattdessen an dem jetzt beantragten Standort, der ehemaligen Hofstelle Watermann in der Nähe des Wohngebietes Emmerbachtal, zu beantragen. Ob die Stadt den Bauantrag unter diesen Umständen objektiv und ergebnisoffen prüft, ist fraglich.

Zudem wurden zwei Fragenkataloge, die zu dem Bauantrag von der SPD-Fraktion in der Hiltruper Bezirksvertretung an den Umweltdezernenten der Stadt Münster gestellt worden waren, in Teilen widersprüchlich und inhaltlich unbefriedigend beantwortet. Eine Möglichkeit, diese Widersprüche und inhaltlichen Fragen zu klären, bestand bisher nicht.

Selbst wenn das Bauordnungsamt die Voraussetzungen für eine Erteilung der Baugenehmigung zu recht als erfüllt ansieht („gebundene Entscheidung“) – was wie ausgeführt, bezweifelt werden kann – so hätte es angesichts des Ratsbeschlusses vom 29. September zu unserer Bürgeranregung nach
§ 24 GO NRW die Baugenehmigung nicht zu diesem Zeitpunkt (am 04. Oktober) erteilen müssen. Der Rat hatte einstimmig beschlossen, die Angelegenheit an den Ausschuss für Umweltschutz, Klimaschutz und Bauwesen (AUKB) zu verweisen. Angesichts des ohnehin langen Genehmigungsverfahrens (der Bauantrag datiert vom 14.07.2020), der lebhaften öffentlichen Diskussion des Projekts und des Ratsbeschlusses war ein Abwarten mit der Erteilung der Baugenehmigung bis zur nächsten Sitzung des AUKB am 26.10.2021 geboten und verhältnismäßig. Die Stadt hätte im AUKB die Gründe für eine Genehmigung im Einzelnen darlegen können. Wäre ihr das schlüssig und überzeugend möglich, hätte die Baugenehmigung nach dieser Sitzung erteilt werden können.

Im Hinblick auf die auch in Münster geltende Gewaltenteilung (Kommunalverfassungsrecht) hätte die Stadtverwaltung, und Oberbürgermeister Lewe als oberster Dienstherr, die Genehmigung – zumindest zu diesem Zeitpunkt – nicht erteilen dürfen. Nach dem gültig vorliegenden Ratsbeschluss wurde damit eklatant in die Zuständigkeit des Rates eingegriffen. Der Rat hat zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, aus übergeordneten, politischen Gründen Angelegenheiten an sich zu ziehen und zu beraten. Er hat in diesem Fall auf die Anregung der Bürgerinitiative hin von seinem Rückholrecht nach § 41 Abs. 3 Gemeindeordnung Gebrauch gemacht. Mit diesem Beschluss ist die Zuständigkeit für die Entscheidung vom Oberbürgermeister auf den Rat übergegangen. Die Stadtverwaltung war nicht mehr zuständig.

Der Oberbürgermeister resp. die in seinem Auftrag handelnde Verwaltung hat durch die Erteilung der Baugenehmigung rechtswidrig gehandelt und in die Kompetenz des Rates eingegriffen. Wie stark der Rat bei seiner Entscheidung durch das geltende Recht gebunden gewesen wäre, ist eine andere Frage. Aufgrund des Rechtsverstoßes hat die Bürgerinitiatve am 25. 09. eine Beschwerde bei der Kommunalaufsicht des Regierungspräsidiums gegen Oberbürgermeister Lewe eingereicht und gebeten, eine Rücknahme der rechtswidrig erteilten Baugenehmigung seitens der Stadt zu veranlassen.

Über die Motive der Stadt, die Genehmigung fünf Tage nach der Ratssitzung rechtswidrig zu erteilen, kann man nur spekulieren. Möglicherweise steht die Genehmigung in Bezug auf die zu erfüllenden Bedingungen auf wackligen Füssen und man wollte kritischen Nachfragen im AUKB und einer inhaltlichen Überprüfung ausweichen. Vielleicht wollte man ja auch eine klimapolitische Bewertung, wie angeregt, vermeiden. Und schließlich hat die Bürgerinitiative ja noch den ergänzenden Antrag gestellt, einen Bebauungsplan für das Gebiet zwischen Emmerbach und Hoher Ward erstellen zu lassen und eine Veränderungssperre zu verfügen. Das sollte vielleicht ebenfalls verhindert werden.

Wir werden nun aufmerksam verfolgen, wie die Stadtratsfraktionen damit umgehen, in dieser Form entgegen ihrem einstimmigen Ratsbeschluss missachtet worden zu sein. Das ist zunächst eine Frage ihres Selbstverständnisses und ihrer Selbstachtung. Für uns steht aber gleichzeitig die Glaubwürdigkeit der im Rat vertretenen Parteien in Frage. Inwieweit sind sie willens, unsere gravierenden Bedenken gegen den Bau eines solchen Stalles (weiterhin) ernst zu nehmen und ihre Handlungsmöglichkeiten als Stadtratsfraktionen auszuschöpfen?

Wir als Bürgerinitiative sind in Bezug auf unsere Bürgeranregung von der Stadt ebenfalls in unseren Rechten bewusst missachtet worden. Außerdem hat es – schon nach unserem Offenen Brief – nie ein Gesprächsangebot seitens des Oberbürgermeisters oder der Stadtverwaltung an uns gegeben, obwohl die Bürgerinitiative mit ihren 322 Mitgliedern den ganz überwiegenden Teil der Bevölkerung dieses Wohngebietes repräsentiert. Das empfinden wir als extrem bürgerfern.

Wir werden der ernsten Sache wegen weiter unsere Möglichkeiten ausschöpfen und unseren Standpunkt in die öffentliche Diskussion einbringen. Wir sind weiterhin zu jedem Austausch mit dem Antragsteller, der Landwirtschaft, der Stadt, den politischen Parteien oder anderen beteiligten Gruppen bzw. Organisationen bereit. Es bleibt abzuwarten, welche Reaktion wir seitens der Kommunalaufsicht der Bezirksregierung auf unsere Beschwerde erfahren, um unseren Bürgerantrag weiter zu verfolgen. Schließlich prüfen wir bzw. Mitglieder unserer Bürgerinitiative jetzt die Klagemöglichkeiten gegen die Baugenehmigung und werden davon Gebrauch machen.

Torsten Ehmcke
Benedikt Geise
Johannes Krause-Isermann
Wilfried Limke
Manfred Manning
Klaus Neidhardt
Michael Radau
Paul Thelosen
Ulrich Wolf

– stellvertretend für 322 Mitglieder der BI-Emmerbach –

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