Presseerklärung – 26.10.2021
Bau eines Schweinemaststalls in Hiltrup-Ost. Beschwerde gegen Oberbürgermeister Lewe bei der Kommunalaufsicht des Regierungspräsidiums wegen Missachtung des Ratsbeschlusses zu unserem Bürgerantrag
Am 26. Juli hat die Bürgerinitiative Emmerbach zu dem umstrittenen Plan, einen Schweinemaststall im Landschaftsschutzgebiet Hiltrup-Ost zu errichten, einen Bürgerantrag nach § 24 Gemeindeordnung NRW an den Oberbürgermeister und den Rat der Stadt Münster gestellt. Eine Erweiterung dieses Antrags wurde am 10. September 2021 eingebracht. Inhalt: Der Rat der Stadt Münster möge sich einen Entscheidungsvorbehalt nach § 41 Abs. 2 der Gemeindeordnung einräumen und das Projekt klimapolitisch bewerten. Für den Standort des geplanten Schweinemaststalls solle der Rat einen Bebauungsplan in Auftrag gegeben werden und zeitgleich eine Veränderungssperre beschließen. Bis zur Entscheidung solle keine Baugenehmigung erteilt werden.
Diesem Bürgerantrag hat der Rat der Stadt Münster auf seiner Sitzung am 29. September in der ersten Stufe entsprochen, indem einstimmig beschlossen wurde, ihn zur Beratung und Entscheidung an den zuständigen Fachausschuss zu verweisen. Das Hiltruper Ratsmitglied der CDU, Stefan Leschniok, kommentierte in den Westfälischen Nachrichten, er finde es gut, dass jetzt eine Beteiligung der Bürgerinitiative erfolge.
Wie uns jetzt bekannt wurde, hat das Bauordnungsamt fünf Tage nach der Ratssitzung (mit Datum 4.10.2021) eine Genehmigung für den Bau des Schweinemaststalls erteilt. Wie ist das möglich?
Will man nicht von Chaos in der Stadtverwaltung ausgehen, wo eine Hand nicht weiß, was die andere tut, bleibt nur die vorsätzliche Missachtung des Rates in seiner Zuständigkeit und gleichzeitig des Bürgerantrags der Bürgerinitiative. Der Spielball lag nach der Ratsentscheidung eindeutig im Spielfeld des Ausschusses für Umweltschutz, Klimaschutz und Bauwesen. Auf der Tagesordnung für seine heutige Sitzung fehlt das Thema „Bauantrag Schweinemaststall“.
Wir sehen darin einen eklatanten Verstoß gegen das Kommunalverfassungsrecht und gleichzeitig gegen unseren Anspruch auf Behandlung und Bescheidung unseres Bürgerantrags (§ 24 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung NRW). Auch für die Kommune gilt das Primat der Politik. Deshalb haben wir mit gestrigem Datum eine Beschwerde bei der Kommunalaufsicht des Regierungspräsidiums Münster gegen Oberbürgermeister Lewe eingereicht. Wir fordern Aufklärung und die Rücknahme der rechtswidrig erteilten Baugenehmigung. Wir sind erstaunt, mit welcher Kaltschnäuzigkeit sich der Oberbürgermeister als oberster Dienstherr der Verwaltung über den Beschluss des Rates und unser Anliegen hinweggesetzt hat. Bürgernähe sieht anders aus.
Hintergrund:
Ein ortsansässiger Landwirt hat im Juli 2020 den Bau eines Schweinemaststalls für 1494 Tiere in einem Landschaftsschutz- und Naherholungsgebiet in Hiltrup-Ost, zwischen Emmerbach und Hoher Ward beantragt, einen Stall der niedrigen Haltungsstufe 2. Als es Anfang Februar dieses Jahres bekannt wird, regt sich sogleich heftiger Widerstand. Einer dagegen gerichteten Online-Petition schließen sich 6435 Menschen an, es gründet sich die (partei-)unabhängige Bürgerinitiative Emmerbach, die inzwischen 322 Mitglieder hat.
Es gibt viele gravierende Gründe den Bau eines derartigen Stalles abzulehnen: die damit verbundene Verschandelung der schönen Landschaft, die hohen klimaschädlichen CO2-Emissionen, Flächenversiegelung, Geruchsemissionen, Gülleanfall, Risiken für die nahe gelegenen, renaturierten Emmerbachauen, Gesundheitsrisiken für Spaziergänger und Radfahrer durch Stallkeime, Schwerlastverkehr auf den Wanderwegen und vorbei am Waldfriedhof Hohe Ward. Und schließlich auch noch das mangelnde Tierwohl. In einer Zeit, wo die Landwirtschaftspolitik nach den Ergebnissen der Zukunftskommission Landwirtschaft auf eine grundlegende Umstellung der Massentierhaltung hin zu mehr Klimaschutz und Tierwohl drängt (Bundesagrarministerin Klöckner: „Es gibt kein Recht auf täglich Billigfleisch“), die großen Handelsketten Fleisch der niedrigen Haltungsstufen 1 und 2 sukzessive aus ihrem Sortiment nehmen wollen und der Westfälisch- Lippische Bauernverband staatliche Ausstiegsprämien für Schweinehalter fordert, in dieser Zeit ist der Neubau eines derartigen Stalls absolut unverständlich, vollkommen absurd.
Die Verwaltung und Vertreter der CDU stellten sich auf den Standpunkt, es handele sich hier um ein Bauvorhaben wie jedes andere („der Bau eines Hauses auf dem Nachbargrundstück“), das jeder politischen Diskussion entzogen sei. Die Bürgerinitiative war von Beginn an der Ansicht, diese Sicht greife zu kurz, eine öffentliche Diskussion und die Behandlung in den kommunalen Gremien (Stadtrat, Umwelt- und Bauausschuss) unbedingt erforderlich. Ein offener Brief an Oberbürgermeister Lewe blieb ohne Resonanz.
Klaus Neidhardt und Paul Thelosen Postfach
48 01 11 48078 Münster